Cevennen 2006
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8. Tag 17.8.2006
Heute Morgen rolle ich relativ gemütlich durch den Canyon de la Dourbie. So kann ich die Sehenswürdigkeiten im Tal genießen.

Bei la Roque-Ste-Marguerite kehre ich der Dourbie auf einem schmalen Weg den Rücken. Bevor ich die Causse Noir hinunter nach le Rozier am Tarn verlasse, lockt mich die Karte zur Corniche du Causse Noir. Um den Abzweig auf den richtigen Waldweg zu finden, muß ich meinen detektivischen Spürsinn bemühen, aber dann holpere ich über Wurzeln und Steine, die den Weg bedecken. Nach knapp drei Kilometern verliert sich der Weg in einigen Fußpfaden. Aber als ich nur ein paar Meter zu Fuß auf ein paar Steinstufen mit Büschen kraxele, liegt ein Panorama der Extraklasse vor mir.
Unmittelbar vor mir bricht die Causse Noir steil in die Tiefe der Gorges de la Jonte ab. Schräg rechts gegenüber markieren hoch aufragende Felswände im dunstigen Morgen die andere Seite der Jonte-Schlucht. Große Greifvögel - Geier oder Adler, man kann es nicht erkennen - kreisen dort im Dutzend in der beginnenden Thermik. Etwas weiter links mündet die Jonte- in die Tarn-Schlucht.

Lange genieße den Blick und die Stille des Ortes. Außer dem Rauschen des Windes in den Bäumen und dem Surren der Insekten ist nichts zu hören. Fehlt eigentlich nur noch ein Baguette mit ordentlichem Belag für ein Frühstück.
Vor der Abfahrt glaubt man im Süden noch die Silhouette einer Stadt in der Ferne zu sehen. Das "Chaos de Montpellier-le-Vieux", eine Felsgruppe die von weitem den Gebäuden eines Stadtkerns ähnelt.
Bei der Abfahrt nach le Rozier beherrscht der gegenüberliegende Rocher de Capluc die Szene, der wie eine Zipfelmütze aus dem Bergrücken vis-à-vis ragt.
Nach le Rozier, wo ein Baguette in meinen Rucksack wandert, beginnt die faszinierende Fahrt durch die Gorges du Tarn. Rechts und links turmhohe Felsformationen, unten der Fluß mit den bunten Tupfen der Kanus.

Malerische Orte, um jede Talbiegung ein neues lohnendes Fotomotiv nach dem Anderen. Auf der Strecke sind zwar einige Wohnwagen und Wohnmobile unterwegs, aber das Ganze ist noch weit entfernt davon überlaufen zu sein. Allerdings müssen die Lenker der größeren Fahrzeuge bei den Felsdurchfahrten oft ziemlich zirkeln.

Nahe St-Chély-du-Tarn, einem pittoresken Örtchen in einer engen Flußschleife, das nur über den schön geschwungenen Bogen einer Brücke erreicht werden kann, befinden sich die schmalsten Tunnel im Tarntal.
Bis St-Enimie bleibe ich im Tarntal, schwinge mich dann direkt am Abgrund immer höher auf die Causse de Sauveterre. Noch einmal kann man weit unten den Tarn bei St-Chély glitzern sehen.

Auf hügligen und verwinkelten Routen kreuze ich über das Kalkplateau, denn nichts anderes bedeutet Causse. Die Bezeichnung Plateau ist allerdings trügerisch - das Relief ist fast immer hügelig mit manchmal bizarren Felsformationen. Die Causse de Sauveterre ist hier mit dichtem Nadelwald bedeckt, zwischendrin einige landwirtschaftliche Flächen.
Im Zick-Zack steuere ich den nahe des Weilers St-Georges-de-Lévéjac gelegenen Point Sublime an. Das was ich mir versprochen hatte, geht vollends in Erfüllung. Direkt am Rand der Causse stehend breitet sich vor mir die Kulisse der Schlucht auf vielen Kilometern in beiden Richtungen aus.

Geländer und ähnlichen Firlefanz gibt es natürlich nicht. Ein paar Gesteinsstufen und dann geht es senkrecht in die Tiefe des Tales. Die Menschen und Autos auf der Talsohle wirken wie Ameisen. Ich setze mich für eine Weile. Draußen über dem Tal kreisen wieder die Geier (ich lege mich einfach mal fest). Viel näher sind einige Mauersegler, die mit Affenzahn und laut pfeifenden Flügelspitzen um die Felskante jagen, man kann sie bei ihren akrobatischen Flugmanövern fast mit der Hand berühren.
Ein steiler steiniger Weg erspart mir den Umweg über St-Georges. Ein Schlenker über Le Massegros und ich bin nach kurvigem Abfahrtsslalom bei Boyne wieder am Tarn. Das hier deutlich breitere Tal trägt mich in der Peripherie von Millau an einem Supermarkt vorbei, wo ich rasch ein paar Vorräte kaufe und auftanke.
Vorbei an der Mautstelle für das Viaduc de Millau fahre ich nach Soulobres, einer Ansammlung von ein paar Bauernhöfen. Nicht das diese besonders sehenswert wären, aber von hier liegt das Viaduc de Millau in voller Pracht vor einem. Von hier bietet sich wohl die beste gebührenfreie Aussicht auf die Brücke.

Wie sieben Segel spannen sich die Stahlseile von den Pylonen zur Fahrbahn. Die Überfahrt spare ich mir heute für den Schluß auf, jetzt ist noch Zeit für eine kleine Runde.
Die Schleife über St-Beauzély und Bouloc hinunter an den Tarn sieht vielversprechend auf der Karte aus. Auch im wirklichen Leben schwingt es sich ganz wunderbar durch die Hügel bis zum Tarnufer. Auch wenn es nach den fahrerischen und landschaftlichen Höhepunkten heute morgen fast schon langweilig erscheint.
Ein kleines Stück Weg auf der gestern schon gefahrenen Uferstrecke, dann geht es durch ein grünes Tal mit vielen Laubbäumen wieder zurück zur Auffahrt auf die A75.
An der Mautstelle ist ein Wegezoll in Höhe von 3,40 Euro fällig, die ich aber für das Vergnügen über die höchste Brücke der Welt zu fahren gerne zahle.
Bevor es auf die Brücke geht, halte ich vorher noch bei der "Aire de Viaduc de Millau", einem sich noch im Bau befindlichen Rastplatz. Ich stelle das Mopped ab und erklimme mit vielen anderen den vorgelagerten Hügel auf steilen Stufen. Oben bläst ein scharfer Wind aus dem Tarntal herauf, der einen fast von den Füßen fegt. Aber der imposante Anblick des Viaduc de Millau läßt die Widrigkeiten vergessen.
Trotz ihrer wirklich gigantischen Ausmaße wirkt die Konstruktion erstaunlich filigran. Aber selbst hier in unmittelbarer Nähe kann man die Größenverhältnisse kaum erfassen.
Aber jetzt runter vom Hügel und den Motor starten. Dann auf der Brücke sieht man leider aufgrund der glitzernden Windabweiser nicht so viel. Für diese bin ich aber sehr dankbar, denn der böige Seitenwind treibt mich trotz des Schutzes teilweise über die halbe Fahrbahn. Nach gut zwei Kilometern rolle ich wieder über die Causse Larzac. Bei la Cavalerie verlasse ich die Autobahn und komme auf bekannten Pfaden zurück nach Nant. 279km.
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9. Tag 18.8.2006
Spät in der Nacht gab es noch ein Gewitter. Es hat ordentlich aufs Zelt geprasselt, aber im Gegensatz zu meinen Nachbarn, einem Vater mit seinem Sohn, die ihre Schlafsäcke über den Autotüren trocknen, hab ich trocken und ruhig geschlafen. Noch füllt Dunst das Tal, aber die Sonne beginnt ihn schon aufzulösen.
Ich packe zusammen, da heute ein Ortswechsel ansteht. Als ich losbrumme, trübt kein einziges Wölkchen mehr den stahlblauen Himmel. Den ersten Stop gibt es aber schon nach 5km vor Cantobre, dass heute endlich in einem guten Licht vor mir liegt (Bild anklicken für ein Panorama).

Unbeschwert - wenn man vom Gepäck absieht ;-) - wedele ich durch die Gorges du Trèvezel. Fünfundzwanzig Kilometer lang keine nennenswerte Gerade. In Camprieu halte ich bei einem kleinen Lebensmittelgeschäft für mein tägliches Baguette.
Und da heute sicher keine Wolken über seinen Gipfel ziehen, beschließe ich den Mt-Aigoual noch mal zu besuchen. An der Südflanke des Berges liegt das von Wald und Buschwerk überwucherte Hérault-Tal. Deutlich kann man die großen Hangschlingen der D986 im Grün erkennen.

Auf dem Gipfelplateau des Mont Aigoual sind heute im Gegensatz zu vorgestern einige Besucher mehr unterwegs. Aber die Bedingungen sind auch wesentlich besser. Das Gebäude des Observatoriums, welches beim letzten Mal kaum zu erkennen war, liegt heute einsam in der Sonne da.
Auf der Abfahrt trödele ich gemütlich durch die Gorges du Tapoul, wobei von der Straße aus nicht viel von einer Schlucht zu sehen ist. Aber das einsame Tal ist auch ohne eine Schlucht sehenswert. Ich lege mich an einen Rain am Wegesrand, erleichtere meinen Rucksack um ein paar Leckereien und schaue den Grashüpfern, die es hier zu Hauf gibt, bei ihren wilden Sprüngen zu.
Eine ganze Weile später wende ich mich in Rousses nach Südwesten. Kurvig geht es durch den Tunnel du Marquaires. Minuten später tauche ich auf einem schmalsten Gäßchen ins Tal des Gardon de St-Jean ab, doch nur um es gleich wieder zu verlassen. Bei le Pompidou komme ich dann auf die Corniche des Cévennes. Die Strecke ist recht gut ausgebaut und bietet flüssigen Kurvenverlauf. Genau das Richtige, um gemütlich mit 80...100km/h dahinzugleiten und ein wenig die Gedanken abschweifen zu lassen. Der Anblick der weiten, fast menschenleeren Landschaft läßt einen unweigerlich ins Träumen geraten.
Erst die Abfahrt nach St-Jean-du-Gard fordert wieder die volle Aufmerksamkeit auf die verschlungene Streckenführung hier. St-Jean, das schon fast am Rand der Cevennen liegt - Alès ist gerade mal 20km Luftlinie entfernt - markiert dann auch den Wendepunkt heute.
Die Route entlang des Gardon de Mialet erlaubt kein träumerisches Gleiten, zu eng und überraschend sind oft die Kurvenradien. Die Hänge zeigen über weiten Teilen die Spuren eines Brandes, der aber schon vor ein paar Jahren hier gewütet haben muß. Aber noch immer nicht sind die großen Wunden im Grün auch nur annähernd geschlossen.
Hinter St-Germain liegen die Brandhänge hinter mir. Üppiger Wald und Buschwerk ist ständiger Begleiter hinauf zum Col de Malhausette. Teilweise ist die Fahrbahn mit einem Teppich aus Kiefernnadeln bedeckt.

Vorbei am Plan de Fontmort und durch Barre-de-Cévennes steigert sich der Kurventanz noch einmal im Tal des Tarnon, einem Nebenfluß des Tarn. Kurz vor Florac quartiere ich mich auf einem kleinen Camping am Ufer des Tarnon ein.
Beim Abbau des zweiten Koffers - der erste war nicht angeschlossen - vermisse ich meinen Schlüssel. Eine gründliche Suche bringt nix, er ist nicht zu finden. Mal scharf nachgedacht und rekapituliert komme ich zu dem Schluß, dass ich ihn auf dem Platz in Nant verloren haben muß. Damit ist mein erstes Ziel für morgen früh festgelegt. Gut, dass der direkte Weg bis dahin nur ca. 70km ist. Auch gut, dass ich den Koffer selbst nicht abgeschlossen hab, so kann ich ihn ausräumen.
Aber es ist noch Zeit für einen kleinen Abstecher. Von Florac aus windet sich ein Lindwurm von Straße in zahllosen Kehren nahezu senkrecht auf die über 500m höhere Causse Méjean.
Ich brause hoch und stelle den Motor ab. Die Stille wird nur vom leisen Knistern des Auspuffs gebrochen. Rechts und links reihen sich Felsklippen, die den Abbruch der Causse Méjean zum Tarn- und Tarnon-Tal markieren.

Ich fahre noch ein Stück auf die Causse, doch bald treibt mich der knurrende Magen zum Einkaufen nach Florac zurück. 186km.
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10. Tag 19.8.2006
Dickbauchige teilweise dunkle Wolken ziehen als ich losdüse. Das Tarnon-Tal liegt noch zu großen Teilen im Schatten. Über den Col de Perjuret - tolle Kurven - geht es im Jonte-Tal nach Meyrueis. Das hübsche Städtchen erwacht gerade, Menschen mit Baguettes unter dem Arm eilen über die Gehwege, sitzen für einen Petit Noir im Café.
Doch keine Zeit zum Rasten, über die Causse Noir strebe ich dem Canyon de la Dourbie entgegen. Heute ist auf den Serpentinen nach Revens gute Sicht. Durch die Wolkenlücken hindurch taucht die Sonne Landschaft und Felsen in ein warmes gelbes Licht.

Auf dem Camping in Nant frage ich, ob man meinen Schlüssel gefunden hat, doch nein. Also suche ich auf dem Stellplatz, wo ich ihn vermute. Und da liegt er auch, scheint sogar ein wenig verschmitzt zu grinsen.
Da ich die Strecken nach Norden hier fast alle kenne, nehme ich die flotte Route über den Col de la Barrière und Alzon nach le Vigan. Unterwegs begegnet man immer wieder den Bauwerken einer stillgelegten Eisenbahnstrecke, die sich auf Viadukten und durch Tunnels ihren Weg durch die steilen Hügel sucht. Mit vollem Tank folge ich hinter le Vigan bekannten Pfaden bis Mandagout. Hier mache ich mich an den Aufstieg in die Montagne de l’Espérou. Mittlerweile hat es ziemlich zugezogen und so begleiten mich tiefhängende Wolkenfetzen auf den Kehren des Anstiegs. Teilweise kann man kaum 50m weit sehen, dann verwöhnt eine Wolkenlücke wieder mit wärmender Sonne. In einer Kehre halte ich an und mache ein spätes Frühstück.

Sonnenstrahlen beleuchten Landschaftsaugenblicke an den Hängen ringsum.
Das Gäßchen führt mich immer höher hinauf, wellt sich oben auf dem Plateau fast schnurgerade durch den dichten bemoosten Wald. Die großen Schleifen hinab nach Vallerauge bieten noch einmal Fahrspaß pur. In Vallerauge spannt sich eine kleine Brücke über den noch jungen Hérault, sie führt mich auf ein winziges Wegstück an der Ostflanke des Mt-Aigoual durch wilde von Buschwerk und geduckten Bäumen bedeckte Gegend. In der Nähe des Col de l’Espinas entdecke ich im Dickicht die verfallenen Ruinen einer kleinen Ansiedlung. Nicht mehr als ein verwachsener Fußpfad führt aus dem Tal zu den Häusern auf dem unwirtlichen Hügelkamm.
Ein Stück weiter in Tourgueille ist wesentlich mehr Leben. Das Dorf feiert, hat Tische und Bänke mitten auf der Straße aufgebaut. Fröhliche Menschen, lachende Gesichter, winkende Kinder als ich meinen Weg durch die feiernden Grüppchen suche.
Unterwegs zum Tunnel du Marquaires lockt ein rot-weißer Abstecher auf der Karte zum Col Salidés. Von der Paßhöhe liegen sonnenverbrannte Wiesen und der schlängelnde Aufstieg nach Cabrillac nördlich des Mont Aigoual zu meinen Füßen.

Doch ich meine mich zu entsinnen, im Tal vor Jahren einem unbefestigten Weg gefolgt zu sein. Den Einstieg finde ich auch schnell, plansche durch tiefe Pfützen und fahre Slalom um Kuhfladen. Nach fast drei Kilometern recht schlechten Wegs stehe ich plötzlich vor einer massiven und relativ neuen Holzschranke. Mist und jetzt den ganzen Schlamm wieder zurück? Irgendwie regt sich der rebellische Geist. Links ragt die Schranke über den Rain, keine Chance! Aber rechts ist zwischen Zaun, Graben und einem Brückenmäuerchen vielleicht genug Platz. Nach zehn Minuten, dem Herausheben eines Zaunpfostens und dem Vorbeidrücken des Gepäckträgers - zum Glück hab ich den Schlüssel, um den breiten Koffer abzunehmen - ist die Q vorbeigewuchtet. Hoffentlich kommt auf der anderen Seite nicht noch eine Schranke, so mein Gedanke als ich frohen Mutes auf einem nun sehr holprigen mit großen losen Steinen garnierten Weg weiterrumple.
Bei einem Haus schließlich geht der Weg in Asphalt über, da auch ein Auto dasteht, wähne ich mich schon aus allen Problemen. Da taucht vor mir erneut eine vermaledeite Schranke auf. Diese läßt sich aber zum Glück auf leichten Stollen auf dem linken Bankett umfahren.
Das Haus, bei genauerem Hinsehen in der Karte als M.F. - Maison Forestière - gekennzeichnet, war wohl so was wie eine Station für die Nationalpark-Ranger. Hauahauerau!
In Vebron klettere ich auf die hoch über mir aufragende Causse de Méjean. Wild gezackt zieht sich das einspurige Sträßchen am kahlen steinigen Hang empor. Fünfhundert Meter höher bietet sich mal wieder ein grandioser Blick. Ein Stück über schmale Wege weiter komme ich zum Chaos de Nîmes le Vieux, einem Gewirr aus bizarren Felsbrocken in allen Formen und Größen, das sich wohl einen guten Kilometer hinzieht. Zwischendrin ein paar Häuser, die fast unsichtbar mit dem umgebenden Gestein verschmelzen.

Ich lasse mich auf den einsamen Wegen der Causse treiben, die meisten Ortsbezeichnungen entpuppen sich als alleinstehende Höfe. Nur Hures, das sogar mit einer kleinen Kirche aufwartet, und Nivoliers bilden mit ein paar Häusern so etwas wie einen Ort.
Immer grob Richtung Norden tauchen noch steilere und engere Serpentinen als beim Aufstieg bei Montbrun hinab ins Tal des Tarn. Immer den Fluß entlang bin ich bald zurück in Florac. Ich laufe gerade in den Ort ein, als ein paar schwere Tropfen aus dem Himmel fallen. Gute Gelegenheit, um im Super U etwas einzukaufen. Doch als ich wieder auf den Parkplatz komme, plattert es ordentlich herunter. In einem heftigen Gewitterschauer brause ich zum Camping, wo ich mich noch ein paar Minuten unterstelle, dann kommt die Sonne wieder hervor und trocknet dampfend meinen Anzug. 279km.
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11.Tag 20.8.2006
Heute ist Tag der Causse! Ich habe mir vorgenommen, jede mögliche Auf- und Abfahrt auf die Méjean zu fahren.
Erste Gelegenheit ist natürlich das Kehrengewürm ab Florac. Oben dehnt sich die weite Landschaft des Kalksteinplateaus. Da ich die Montbrun-Abfahrt erst gestern abend gefahren bin, lasse ich sie heute morgen großzügig aus. Bald rolle ich im nördlichen Teil auf den einspurigen Wegen. Karg und steinig breiten sich die flachen Hügel bis zum Horizont.

In Mas-St--Chély, einer kleinen Ansiedlung, gibt es tatsächlich eine Boulangerie. Direkt in der Backstube bekomme ich ein noch heißes Baguette.
Die gut ausgebaute D986 senkt sich kilometerlang immer entlang der Felsen ins Tarn-Tal bei Ste-Enemie. Die Befürchtung, dass am heutigen Sonntag das Tal voller Touristenverkehr ist, erweist sich als unbegründet. Es ist sogar weniger los als noch vor drei Tagen. Ungehindert kann man durch den besten Teil der Schlucht räubern. In la Malène gibt es die nächste Gelegenheit die Causse zu erklimmen. Das Rot-weiß auf der Karte ist völlig verdient. Sehr steil zirkeln engste Radien in die Höhe. Auf der Hälfte gibt eine Felskanzel mit einer weißen Madonnenstatue. Ein paar Schritte sind es bis dorthin, die man nicht verpassen sollte, denn der Blick auf den Ort, der am Morgen noch halb im Schatten liegt, ist erstklassig.

Als Nächstes besuche ich einen Aussichtspunkt am Roc du Serre. Doch hier verlangt man tatsächlich 50ct für den Blick in die Tiefe. Die spare ich mir natürlich, denn ich hatte in den letzten Tagen bessere Aussichten für umsonst.
Noch ein kleiner Kurventanz auf dem Plateau, dann folgt wieder eine der anspruchsvollen Abfahrten. Die Aussicht auf den südlichen Teil der Gorges du Tarn ist heute frei vom Dunst. Während der westliche Hang schon in der Sonne badet, liegt der östlich Abbruch noch im tiefen Schatten. Ein paar Felsdurchfahrten und Tunnel später biege ich bei le Rozier in die hier endende Gorges de la Jonte ein. Hohe Felswände flankieren den ersten Teil der Schlucht. Ab le Truel beginnt der wohl beste Weg auf die Méjean. Natürlich mal wieder rot-weiß gestreift. Eigentlich nur ein besserer Feldweg, der mit engen Serpentinen, weiten Aussichten, malerischen Felskulissen nur so wuchert.

Über der Szene kreisen in großer Höhe mal wieder riesige Greifvögel. Ich schlage einen kleinen Bogen über la Volpilière und kehre bei la Caze in die Jonte-Schlucht zurück. Großzügige weitgeschwungene Radien sorgen für ungetrübtes Vergnügen. Die nächste Möglichkeit, auf die Causse zu gelangen, wird leider von einer Kette mit "Durchfahrt verboten" Schild gesperrt. Die nächste Gelegenheit auf die Méjean zu gelangen, bietet sich erst hinter Meyrueis. Der Blick zurück zeigt an der gegenüberliegenden Abbruchkante des Tals die ungewöhnliche Werbung für die dortige Grotte de Dargilan. Aus Bäumen hat man in großen Buchstaben den Namen Dargilan weithin sichtbar an den Hang geschrieben.
Ich fahre sozusagen zur Konkurrenz, der Aven Armand, einer der bekanntesten Höhlen, die sich in dieser Gegend im porösen Gestein zahlreich gebildet haben. Das Wort Aven, der Übersetzungsdienst gibt Karsthöhle dafür an, bezeichnet den trichterförmigen Einbruchkessel, der den natürlichen Zugang zur Grotte bildet. Louis Armand und Martel Armand Vire haben sich 1897 als Erste durch das kleine Loch am Grund des Kraters gezwängt und das Tropfsteinlabyrinth entdeckt. Heute ist der relativ unscheinbare Einsturzkessel von einem Maschendraht umgeben. Die Höhle wurde durch einen schrägen Tunnel erschlossen, der mit einer Bahn die Besucher in die Tiefe bringt. Es ist nicht sehr viel los am heutigen Mittag, ich setze mich auf eine Bank nahe dem Besucherzentrum und überlege, ob ich mir die Blöße einer Besichtigung geben soll ;-)
Doch nein, man soll nicht mit alten Gepflogenheiten brechen und ich bin zum Moppedfahren hier! Und das tue ich jetzt auch, treibe mich ein wenig bei den kleinen Ansiedelungen Hyelzas und les Hérans herum, um vielleicht von oben einen Einstieg in den verbotenen Weg auf die Causse zu finden, aber auch hier verwehrt das runde Schild mit dem roten Rand jede Weiterfahrt.
Bliebe noch der formale Abschluß meines heutigen Vorhabens, doch da ich gestern schon die letzten beiden Möglichkeiten, den Col de Perjuret und Vebron, gefahren bin, erkläre ich die Umrundung als komplett. Die D16 trägt mich noch einmal quer über das Plateau, ich komme am Flugfeld vorbei, einem Rasenplatz mit einem kleinem Hangargebäude, der den hochtrabenden Namen Aerodrom Florac/Ste-Enimie trägt. Schließlich mäandere ich hinunter nach Florac.
Da es aber noch recht früher Nachmittag ist, halte ich Ausschau nach weiteren lohnenden Strecken. Im Norden bietet sich der Mont Lozère an. Gleich in Bédouès beschert die wehrhaft, fast wie eine Burg aussehende Kirche einen besonderen Blickfang.

Kurve an Kurve reiht sich in dem Tal, es ist der Oberlauf des hier noch bescheiden auftretenden Tarns. Nach dem Passieren von le Pont-de-Montvert schraubt sich die Route immer höher in die Berge. Typische Wintersportorte vermitteln alpine Impressionen. Oben auf dem Col de Finiels weht trotz der Sonne ein kühler Wind, der die geduckten struppigen Bäume ordentlich zerzaust.
Unweit ist die grasbestandene flache Kuppe des Sommet de Finiels mit ihren 1699m nur zu Fuß zu erreichen. Und da unweit in diesem Falle ca. drei mühsame Bergaufkilometer bedeutet, kommt mir nicht mal der Gedanke an einen Marsch dorthin.
Dafür brause ich jetzt über viele Kurven talwärts. Ab le Bleymard geht es durch eines der vielen grünen Täler, wo sich Straße und Fluß mit den besten Krümmungen zu überbieten versuchen. Der Fluß gewinnt das Duell, die Straße muß in einen Tunnel ausweichen. Direkt über dem Tunnel krönt eine weit sichtbare, aber schier unerreichbare Burgruine den Bergkamm - das Château du Tournel.

Ein Paß, der Col de la Loubière, der auf schmaler Bahn durch den Wald gespurt ist, trägt mich zur N106. Die Rue National ist zwar sehr gut ausgebaut, aber die Felsen nach dem Col de Montmirat erzwingen eine wild gezackte Streckenführung. Im Nu sind die zwei Dutzend Kilometer bis zum Camp zurück abgespult. 287km.
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12. Tag 21.8.2006
Etwas früher als sonst wache ich auf. Ich nutze die gewonnene Zeit, um das Zelt abzubauen und das Gepäck festzuzurren, denn ich will heute die erste Etappe Richtung Heimat hinter mich bringen.
So rolle ich schon kurz nach Acht los. Da ich noch etwas verschlafen bin, muß erst mal eine breite Strecke für die ersten Kilometer her. Dazu ist die Fortsetzung der N106 von gestern in Richtung Osten genau richtig. Abwechselnd durch Sonne und Schatten gleite ich gemütlich hinauf zum Col de Jalcreste, der hier auch die Wasserscheide zwischen dem Mittelmeer und dem Atlantik bildet.
So langsam werde ich etwas munterer, was bei ein paar überraschenden Schleifen auf der Talfahrt auch nötig ist.
Endgültig weckt mich der Duft einer Bäckerei in le Collet. Mit einem frischen Baguette bewaffnet verlasse ich die breite Gasse, trolle mich parallel einer Bahnstrecke, die Alès mit Villefort verbindet. Während die Bahn im Tunnel verschwindet, kreuzte ich quer über den Höhenrücken. Dann bietet sich unter einer Kiefer ein wunderbarer Rastplatz. Unten kommt auch wieder die Bahnstrecke zum Vorschein, die sich auf einem viertelkreisförmigen Viadukt über das Tal des Luech spannt.

Entlang des Luech rollt es sich unbeschwert bis Bessèges. Langsam nähere ich meinem ersten Zwischenziel. Weite hügelige offene Landschaften begleiten mich über St-André und Bajac bis Vallon-Pont d’Arc, wo die Schlucht der Ardèche beginnt.
Ich mache eine kurze Runde, um eine Tanke zu finden, denn auf den nächsten 50km gibt es gewiß keine und ich bin schon wieder mal knapp. Doch der Rummel hier nervt mich schon bald und ich nehme die Route entlang der Gorges de l’Ardèche ohne zu Tanken.
Nach nur wenigen Minuten bin ich an der größten Attraktion, dem Pont d’Arc, einem natürlichen Felsbogen, den der Fluß gebohrt hat.

Die Parkbucht mit der besten Aussicht ist völlig überfüllt, so halte ich einfach am Straßenrand für das Foto. Dann aber schnell weg auf die Panoramastrecke, die sich oberhalb der Schlucht mit tollen Kurven hinzieht. Allerdings wird der Spaß immer wieder von langsamfahrenden PKW, Bussen und Wohnmobilen unterbrochen. Jetzt weiß ich wieder, warum ich solche Touristenmagnete wie die Ardèche normal meide.
In Pont-St-Esprit, in dessen Nähe die Ardèche in die Rhône mündet, bietet sich dann die Gelegenheit zum Tanken. Anschließend überquere ich die Rhône, die ich hier als relativ klein empfinde. Die Erklärung bietet sich kurz vor Bollène, wo ich einen breiten parallel verlaufenden Kanal überquere, an dem ein Stück flußauf ein Atomkraftwerk seine Kühltürme in den Himmel reckt.
Über St-Restitut geht eine wunderschöne Nebenstrecke mit Felsformationen, deren Einsamkeit nach dem Rummel um so eindrücklicher wirkt.
Ein Stückchen hinter Grignan ist die Ruine einer Prieuré ausgeschildert. Ich bin schon ein paar Minuten auf dem Weg als mir klar wird, dass ich die Ruinen verpaßt haben muß. Die genaue Suche zeigt ein winziges halbverwittertes Holzschild mit der Aufschrift "Ruines" an einem unscheinbaren Waldweg. Nicht weit im Gebüsch findet sich dann die Ruine einer kleinen Kirche.

Über unmäßigen Besucherandrang kann man sich hier nicht beschweren, ein stiller Ort.
Weiter gleite ich gemütlich durch gewellte Gegenden, bis ich bei Crest in das Tal der Drôme hinunter fahre. Der Ort begrüßt mich mit einem buntgeflaggten massiven Burgturm am gegenüberliegenden Talhang.
Das recht breite Flußtal wird landwirtschaftlich intensiv genutzt. Getreidefelder, teilweise schon abgeerntet, Rebstöcke und Wiesen liegen rechts und links der gut ausgebauten Straße. Kurz vor Die kommt dann das Felsmassiv in Sicht, das das Vercors nach Süden hin abschottet.

In Die nutze ich die Möglichkeit einzukaufen, bevor ich ein Seitental in Richtung Col de Rousset düse. Je weiter man zum Ende des Tales kommt, desto unwahrscheinlicher erscheint die Möglichkeit, dass es hier noch einen Ausweg geben sollte. Hohe Felswände bilden endlich einen Kessel aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt, doch die Paßstraße klettert in vielen Schleifen hinauf zur Höhe, wo ein Tunnel den letzten Felskamm durchbohrt.
Nach dem Tunnel geht es kilometerlang nur noch bergab bis kurz nach St-Agnan. Auf dem dortigen kleinen Camping Municipal stelle ich mein Zelt für die nächsten Nächte auf. 325km.
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13. Tag 22.8.2006
Eine hohe graue Wolkendecke ist über Nacht aufgezogen, nur im äußersten Süden ist noch etwas Blau zu sehen. Ich bin schon voller Vorfreude auf die Klammdurchfahrt der Grands Goulets, eines der spektakulärsten Highlights im Vercors. Im nahen la Chapelle besorge ich noch ein Baguette und bin kurz darauf am Eingang der Klamm. Doch grenzenlos ist meine Enttäuschung als ich vor einem Gittertor mit dem Schild "Route des Grands Goulets fermeé" stehe.
Wegen Bauarbeiten für längere Zeit geschlossen. Nicht mal zu Fuß kann man die Route betreten, ein engmaschiges Gitter ragt sogar über die Brüstung. So bleibt nur ein Foto vom Klammeingang.

Also weiter zur Gorges de la Bourne. Rechts und links hohe Felswände, kleine düstere Tunnel gilt es zu durchqueren. Auf der Route des Ecouges über den Col de Romeyère fängt es ein wenig an zu nieseln. Zum Schluß schnürt sich das Tal auf eine enge Felsdurchfahrt ein. Kleine Wasserfälle stürzen in die Tiefe und der schäumende Gebirgsbach, der die Enge gefräst hat, verschwindet buchstäblich im Nichts. Hinter der kleinen Begrenzungsmauer geht der Blick beinahe 300m senkrecht in die Tiefe hinunter. Die Autos auf der dort verlaufenden Straße wirken wie Spielzeuge.
Der weitere Verlauf des Weges wurde wie mit einem riesigen Trennschleifer in die aufragende Wand gefräst.

Da die Breite für Gegenverkehr nicht reicht, ist für die Gegenspur ein Tunnel durch den rohen Fels geschlagen. Natürlich lasse ich mir den Spaß nicht nehmen, einmal hindurch zu fahren. Überall tropft Wasser, das Motorgeräusch hallt laut von den engen Tunnelwänden zurück. Die Durchfahrt beschert eine weitere Runde an der Außenseite des Felsens. Eine weite Schleife bringt mich an den Fuß des Abgrunds. Von hier unten ist der Weg wie eine kaum sichtbare dünne Narbe in dem aufragenden Fels.
Im Tal der Isère angekommen sind es nur wenige Gasstöße bis zur nächsten Attraktion. Mehrere enge steile Kehren bringen mich hoch über das Isèretal, wo ein enger Taleinschnitt die Gorges du Nan bildet.

Wieder begeistern in den Fels geschlagene Durchfahrten. Dazu noch die weite Aussicht über das Isèretal. Nach der Engstelle sorgen viele verwinkelte Serpentinen für Höhengewinn. Einsam rollt es sich auf den winzigen Gassen durch düstere Waldgebiete, die nur selten von ein paar Almenwiesen unterbrochen werden. Erst beim erneuten Abstieg zur Isère bei St-Pierre-de-Chérennes wird die Landschaft wieder offener. Nicht weit ist es von hier nach Pont-en-Royans. Der malerische Ort liegt am Eingang in die Gorges de la Bourne.
Während die am Fluß gelegenen Häuser zur Straße hin höchstens zwei Stockwerke zeigen, sind es auf der flußzugewandten Seite wahre Hochhäuser.

Ich setze mich in den an die Bourne angrenzenden Stadtpark für eine ausgiebige Rast.
Mittlerweile kommt auch die Sonne öfter durch die Wolken und es verspricht doch noch ein schöner Tag zu werden. Als ich im nahen Ste-Eulalie am Abzweig zu den Grands Goulets vorbeifahre, werde ich wieder an die Enttäuschung über die Sperrung von heute morgen erinnert. Doch zum Glück weiß ich, wo ich mich schadlos halten kann. Direkt in St-Jean beginnt eine klasse Bergstrecke hinauf zum Col Gaudissart. Nach dem Col wartet das nächste Highlight, die Combe Laval. Auch hier ist die Route absolut spektakulär an den senkrechten Felsen entlang geführt. Ein Felsen direkt am Abgrund legt den Verdacht nahe, dass hier einst Obelix beim Straßenbau beteiligt war.

Tunnels und Felswände säumen bis zum Col de la Machine den Weg, bis zum Col de la Portette folgt dichter hochstämmiger Nadelwald.
Ein paar Haarnadelkurven tauchen zum Col de la Croix in die Tiefe. Es folgt eine sausende Talfahrt bis Oriol, von wo mich ein schmales Tal bis Léoncel führt. Der kleine Ort scheint ein Dorado für Wanderer zu sein, denen man hier an jeder Ecke begegnet. Ich lasse der "Q" die Zügel schießen und jage hinauf zum Col de la Bataille. Rauh und ursprünglich präsentiert sich die Paßstraße nach Überschreiten der hier niedrigen Baumgrenze. Nach dem kurzen Tunnel folgt ein schmaler Grat. Links und Rechts fallen die teils überwachsenen Geröllfelder steil ab. Heftig bläst der Wind über den ungeschützten Grat. Aber das Panorama hinab ins Tal von Bovante ist die Unbill mehr als wert. Ganz weit hinten blinkt die dunkelblaue Wasserfläche eines kleinen Stausees.

Scheinbar endlos windet sich die anschließende Route durch den Wald. Zwischendrin mache ich noch einen Abstecher nach Font-d’Urle, einer kleinen Skistation in karger Gebirgslandschaft. Am Col de la Chau komme ich aus dem Forêt de Lente. Hier steht ein Denkmal für die Résistance. Das ganze Vercors war 1944 Schauplatz erbitterter Kämpfe. Davon zeugen auch oft Gedenktafeln an den unwegsamen Zugängen des Gebiets. Im Tal bei Vassieux weht die französische Flagge über dem Ehrenfriedhof "Cimetière National du Vercors".
Den Col de Carri sollte man auf keinen Fall auslassen, wenn man in der Gegend ist. Ein Schräglagenwechsel jagt den nächsten und auch die übliche Wahl, ob man auf die Landschaft oder die Straße achten soll, fällt leicht, da er fast ausschließlich durch Wald verläuft. Auf der nordwestlichen Seite der Combe Laval führt eine relativ gut ausgebaute Alternativroute ins Isèretal. Die flüssigen Kombinationen im oberen Teil werden im Schlußabschnitt zur wahren Kurvenorgie.
Zum Tagesabschluß gönne ich mir die komplette Gorges de la Bourne von Pont-en-Royans bis zur Pont de la Goule Noire. 291km.
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14. Tag 23.8.2006
Die Nacht war klar und daher sehr kühl. Das Zelt ist naß vom Tau. Als Punkt 9:00 Uhr die Sonne über den hohen Bergkamm im Osten blinzelt, lassen die ersten Strahlen das Zelt sofort dampfen.
Heute habe ich mir die Umkreisung des Gebirgszugs vorgenommen, der das Vercors nach Osten hin begrenzt. Vom Col de Rousset im Südosten bis hoch nach Grenoble gibt es auf ca. 60km Luftlinie keine Möglichkeit die Kette der bis zu 2341m (le Grand Veymont) hohen Berge zu überqueren, es sei denn auf einer zünftigen Bergwanderung. Auch das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite, kaum ein Wölkchen am tiefblauen Firmament.
Im Süden wartet der Col de Rousset. Von dieser Seite braucht es nur zwei langgezogene Kehren, dann dröhnt der Boxer durch den Gipfeltunnel. Während ein Teil der Straßenschlingen der Südseite noch im Schatten liegt, baden die zerklüfteten Felswände bereits in der Morgensonne.

Entlang der Drôme ist schon bald der Abzweig nach Châtillon-en-Diois erreicht. Rund um den Ort, Namensgeber für das gleichnamige Weinanbaugebiet, ist die Gegend von Rebstöcken bedeckt, soweit das Auge reicht. Doch hinter dem Ort wird das Tal enger, stetig schraubt sich der Asphalt höher hinauf. Kurvig ist für das Teilstück nach dem Col de Menée ein zu schwaches Attribut, kurze schnelle Schräglagenwechsel bis zum schwindlig werden.
Auf der Talfahrt ragt genau in Blickrichtung der Mt-Aiguille (2086m) schroff empor. Eine großartige Kulisse.

Seine Erstbesteigung fand schon 1492 statt und gilt bei vielen als der Beginn des Alpinismus, neben Petrarcas Besteigung des Mt-Ventoux im Jahr 1336.
Ich treffe auf die vielbefahrene N75, doch zum Glück brauche ich ihr nur einige Minuten folgen. Bei St-Michel kann man dem Verkehr auf verschlungenen Pfaden entgehen. Weit zieht sich die landschaftlich extrem reizvolle Route in das Tal, Felsen ragen allenthalben auf. Beim Col des Deux engt sich das Sträßchen weiter ein, verläuft dicht am Fuß des Gebirgskamms im Westen entlang.
Um St-Andeol und Château-Bernard herum breitet sich eine alpine Landschaft wie aus dem Bilderbuch aus. Kahle steile Felsmassive, von Wolken umschmeichelt, satte Wiesen und dunkelgrüne Wälder, dazwischen ein paar Gehöfte und kleine Ortschaften hingetupft.

Beim anschließenden Col de l’Arzelier ist Fahrspaß groß geschrieben. Hinterher gibt ein malerischer Rastplatz Gelegenheit für eine Pause. Ein kleiner Brunnen liefert kühles klares Gebirgswasser.
Über la Gua und Vif laufe ich in Claix ein. Man bemerkt deutlich die Nähe der Großstadt Grenoble, der Verkehr wird hektischer, die Industrieansiedelungen häufiger. Zum Glück muß ich nicht durch die Stadt, denn im Drac-Tal brütet mittlerweile die Hitze. Richtung St-Nizier schraube ich mich wieder auf kühleres höhergelegenes Terrain. Weit reicht der Blick über das Häusermeer von Grenoble. Weit hinten, wo das Isèretal in den braungrauen Luftverschmutzungen verschwimmt, zeigt sich der Mt-Blanc als ein weißer Klecks am Horizont.
Die Strecke nach Lans-en-Vercors taucht zunächst in der Kühle des Waldes unter, später fährt man hoch über der Gorges d’Engins dahin. Villard-de-Lans, wo auch schon Wettbewerbe der Olympischen Spiele 1968 stattfanden, ist ein typischer Wintersportort. Zum Glück wurde weitgehend auf die sonst oft üblichen Hochhäuser verzichtet.
Für mich aber nur eine Zwischenstation. Wald ist auch ständiger Begleiter bei der Überquerung des nächsten Höhenzugs. Zuerst noch gut ausgebaut, windet sich bald ein einspuriges Sträßchen bis nach St-Martin-en-Vercors. St-Agnan ist nicht mehr weit, wo ich beim Zelt den restlichen Nachmittag im Schatten entspanne. 221km.
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15. Tag 24.8.2006 Heimfahrt
Dicke Wolken ziehen heute morgen durch das Vercors. Ich packe zusammen, bevor es zu Regnen anfängt. Noch ein letztes Mal durch die heute morgen sehr düstere Gorges de la Bourne in Richtung Villard-de-Lans.

Mit der Ankunft im Isère-Tal ist der fahrtechnisch interessante Teil der Heimfahrt vorbei.
Von hier ist schnelle Bahn angesagt. Immer wieder prasseln Schauern auf mich, während ich über Bourg bis Besançon durch das Jura düse.
Dann noch das Doubstal, das zumindest landschaftlich einiges zu bieten hat. Vor Mulhouse auf die Autobahn. Bei Bruchsal kämpfe ich mit der Gischt eines letzten ausgiebigen Regengusses um ein bißchen klare Sicht. Zumindest meine Ankunft in Darmstadt wird von einer größeren Wolkenlücke erwartet, so dass ich noch ein paar Kilometer in der Sonne fahren kann. 761km.
Hier geht es noch zu den restlichen, nicht im Bericht eingebauten Bildern.
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© By Kurt Pfeffer im August 2006 - Juni 2007
Umformatiert im Januar 2013
Überarbeitet im Juli 2020
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